Die Literatur-Werkstatt am Gymnasium Farmsen
Die Literatur-Werkstatt ist ein Angebot für besonders begabte Schüler*innen, die leidenschaftlich gerne selbst Texte schreiben und Bücher lieben. Im Moment nehmen daran Schüler*innen der 6. und 7. Klassen teil. Eigentlich war es natürlich geplant, dass wir uns regelmäßig in der Schule treffen, um gemeinsam das kreative Schreiben zu üben und uns über Texte auszutauschen. Aber auch die Einschränkungen durch Corona konnten die jungen Autor*innen nicht stoppen: Während der Homeschooling-Phase sind ihre tollen Kurzkrimis entstanden.
Die Aufgabe war es, einen kurzen, aber spannenden und lustigen Krimi zu erzählen. Außerdem sollten die Begriffe „Fingerabdruck“, „Handschellen“ und „Buch/Ordner“ in dem Krimi vorkommen. Frau Müller hatte sie vorher mit ihren „Story Cubes“ gewürfelt (siehe Foto). Durch diese Aufgabe sind ganz unterschiedliche und tolle Texte entstanden. Und wer weiß, vielleicht probierst du auch mal aus, einen Krimi zu schreiben…?
Viel Spaß beim Lesen
wünschen Svea (7. Jahrgang) und Christina Müller (Leitung)
Der Schoko-Dieb
Fröhlich pfeifend ging Klara den Hausflur ihrer großen Villa entlang. Naja, die Villa ihrer Eltern, um genau zu sein. Sie fuhren hier jedes Jahr in den Sommerferien hin. Leisten konnten sie sich so ein Haus, weil ihr Vater Multimillionär war und auch ihre Mutter einen guten Ruf als Ernährungsspezialistin hatte.
Sie schlenderte um die Ecke, dann schaute sie sich um. Als sie sicher war, dass niemand sie beobachtete, schob sie ein Dielenbrett zur Seite und schaute in das Versteck, das sie und ihr Bruder Freddie zum Schokoladehorten benutzten, und nahm sich eine Packung heraus. Der Grund, warum sie diese horten mussten, war ganz einfach: Ihre Mutter war ja eine Ernährungsspezialistin. Und das bedeutete, dass alles, was nur minimal süß war, für sie und ihren Bruder tabu war. Doch wenn ihre Mutter ihre Adleraugen mal woanders hinrichtete, konnte man leicht etwas Süßes mitgehen lassen. Und die beiden Geschwister bevorzugten eindeutig Schokolade.
Doch als Klara die Verpackung in die Hand nahm, fiel ihr auf, dass diese ziemlich leicht war. Sie wickelte sie auf und sah mit großem Schrecken, dass die Hälfte der Schokolade fehlte! Und auch das Versteck war ausgeräubert. Es befand sich ein Dieb im Haus, den es zu finden galt! Sofort, auf der Stelle, bevor noch mehr Schokolade verschwand. Schnell rannte sie los, um ihren Bruder Freddie zu suchen. Dass er die Schokolade gegessen hatte, war unmöglich, hatten sie sich doch versprochen, die Schokolade gerecht aufzuteilen. „Freddie“, rief sie. „Freddie, das Versteck wurde geplündert!“ „Was? Das kann nicht sein! Wir müssen den Dieb finden!“ „Ganz deiner Meinung“, sagte Klara. „Aber wie?“ beide versanken in nachdenkliches Schweigen. „Wir könnten nach Fingerabdrücken suchen“, schlug Freddie vor. „Das habe ich in einem Buch gelesen.“ „Weißt du etwa, wie so was geht?“, seufzte Klara genervt. „Naja, nein“, gab Freddie kleinlaut zurück. „Aber nach Spuren zu suchen, schadet ja nie, oder?“ „Hast Recht. Komm, wir suchen mal.“
Wenig später standen sie vor dem Versteck. „Und, wo siehst du hier Spuren?“, fragte Klara spöttisch. „Naja, da“, sagte Freddie und deutete auf ein Stück Verpackung. Klara fluchte. Wie hatte sie das nur übersehen können? „Schnell, folgen wir der Spur“, sagte sie. Hastig rannten sie los. Als Freddie an seinem Zimmer vorbeikam, rannte er schnell hinein und holte ein paar Plastikhandschellen. Karla verdrehte die Augen, sagte aber nichts. Sie gingen der Spur hinterher, bis diese plötzlich abbrach. „Die Abstellkammer!“, rief Freddie. Hastig stürmten sie hinein und sahen… „Maunz!“, riefen sie beide wie aus einem Munde. Ihr Kater hatte Schokolade im Gesicht und blickte verschlafen auf. Er sah sie kurz an, dann machte er die Augen wieder zu und legte sich in sein Bett aus Schokoladenverpackungen. „Ich glaube, wir haben den Schokodieb gefunden“, meinte Freddie grinsend.
Autor: Anton, Jahrgang 7.
Der Einbruch
Tageszeitung:
„Gestern versuchten zwei Männer in die größte Bank der Welt einzubrechen. Wegen mangelnder Planung wurde allerdings der Alarm ausgelöst und die beiden Verbrecher wurden verhaftet, des weiteren…“
„Möchtegernräuber!“, sagte ein spindeldürrer Mann mit kurzen, grauen Haaren und Bartstoppeln am Kinn und warf die Zeitung weg. Seine braunen Augen funkelten klug. Er war Verbrecher. Einer der schlauesten, und er stand mit seinem Kumpel, der kräftig gebaut war und gerade genüsslich in ein Marmeladenbrot biss, an einer Hausecke in Hamburg. „Ich wette, wir machen das viel besser“, sagte der Dünne. „Aber wie?“, fragte der Dicke. „Wir brechen ins Stadtarchiv ein und klauen dort die Pläne der Bank, damit wir die besten Fluchtrouten und Eingänge planen können.“
Kurze Zeit später waren sie ins Stadtarchiv eingedrungen – was für geübte Gangster gar kein Problem war – und durchsuchten die Akten. „Hier!!“, rief der Dicke laut, „Ich hab sie!!“ „Pssst!“, zischte der Dünne. „Tschuligung“, nuschelte der Dicke und schob sich vor Aufregung noch ein Brot in den Mund.
Zurück in ihrem Lager – dem Haus des Dünnen – planten sie den Einbruch in die Bank. Plötzlich bemerkte der Dünne etwas. „Verdammt!“, schrie er und zeigte dem Dicken die Akte: Darauf war ein fettiger Fingerabdruck. „Hast du etwa alle Akten angefasst?!“, rief der Dünne. Wie aufs Stichwort klopfte es an der Tür. Vier Polizisten traten ein. „Sie sind verhaftet!“ Die Gauner kochten vor Wut, als sie in Handschellen abgeführt wurden, ohne überhaupt in der Bank gewesen zu sein.
Autor: Dominic, Jahrgang 7.
Von Autoren, Dieben und Blumenvasen
Dunkelheit lag über London und Nebelschwaden zogen durch die Straßen. Ein dunkler, kalter Schatten huschte von Haus zu Haus. Es war das erste Mal, dass Clara diesen furchterregenden Schatten gesehen hatte. Der Schatten, den sie von Anfang an gruselig gefunden hatte. Selbst jetzt, Jahre später, plagte sie noch die Erinnerung an ihn und das, was er ihr angetan hatte…
„Nein, Nein, Nein“, verfluchte sich Dorian. „So geht das nicht. Das hört sich an wie ein Krimi!“ Er war im Stress. Morgen musste er seinen neuen Roman beim Verlag einreichen. Und der Anfang wollte und wollte nicht hinhauen. Der Verlag hatte ihn ohnehin auf dem Kieker. Zu Recht. Sein letzter Roman war furchtbar gewesen. Zu neumodisch, die Idee war nicht ganz ausgereift.
„Natürlich, der Junge macht nur halbe Sachen“, hätte seine Mutter dies kommentiert. Leider stimmte es. Ohne den Ansporn seiner Freunde säße er wahrscheinlich immer noch zwischen halb angefangenen Manuskripten. Dorian gähnte, stand auf und ging im Zimmer umher. Er mochte sein Arbeitszimmer, in das erstaunlich viel passte. Hier hatte er seine zwei Schreibtische (einen normalen mit Computern und einen alten Sekretär, an dem er seine Ideen entstehen ließ), einen großen gemütlichen Sessel und ein Regal mit vielen Kisten. Dorian seufzte. Er brauchte dringend eine Verbesserung für den Anfang und irgendwie war Claras Geschichte für ihn noch nicht lebendig geworden, SIE war noch nicht lebendig geworden. Er sank in seinen Sessel. „Nur kurz ausruhen, nur kurz …“
Klirr! Dorian fuhr hoch. Da war jemand! Rasch stand er auf und schlich durch den Flur seiner kleinen Wohnung. Ja, da war jemand. Ein Schatten mit einer Taschenlampe, wie ein tastender Finger. In diesem Moment, als er durch den Flur schlich, fühlte sich Dorian seiner Geschichte so nah wie nie zuvor. Und dann stieß er sich an einem Stuhl, der im Weg stand. Dorians Gesicht verzog sich vor Schmerz. Aber er musste den Dieb aufhalten, bevor es zu spät war. „Konzentration!“, dachte er bei sich und duckte sich, schlich zur Kommode. Er hatte einen Plan. Rasch positionierte er verschiedene Gegenstände und hoffte, der Typ würde drauf reinfallen. Oder zumindest hinfallen. Schnell zog er den Scheinwerfer (Endlich war das Ding mal nützlich!) in den Türrahmen, positionierte sich und wartete. Und dann war es so weit. Flugs kramte Dorian in einer Schublade seiner Kommode nach der Verteilerdose, die er hier irgendwo verbummelt hatte. Ah, da war sie ja. Mit der Verteilerdose schlich er sich zurück zur „Falle“. „Das Kabel hier rein, das andere dort hinein“, murmelte er. Der tastende Lichtstrahl der Taschenlampe kam näher. Dorian geriet ins Schwitzen. Mit zitternden Fingern macht er einen letzten Knoten. Nach einigen Augenblicken kam der Einbrecher in den Flur, Dorian drückte auf den Schalter und das Unheil nahm seinen Lauf: Der Scheinwerfer erstrahlte und blendete den verwirrten blonden jungen Mann. Dieser hielt sich daraufhin schützend den Arm vors Gesicht, ging einen Schritt rückwärts, wobei er über eine von Dorian gespannte Schnur stolperte. Er ruderte mit den Armen und suchte etwas, an dem er sich festhalten konnte. Der Einbrecher stützte sich an Dorians kleinem Beistelltisch ab. Hierauf standen immer die Blumen aus Mamas Garten in einer Vase. Die Vase fiel und zersprang auf dem Boden. Das Blumenwasser ergoss sich über das Holzparkett. Das hatte Dorian nicht erwartet. Er wollte schon losstürzten, um dem Einbrecher zu helfen, aber da rutsche dieser schwungvoll auf dem feuchten Boden aus, schlug mit dem Hinterkopf auf und wurde bewusstlos.
Dorian war geschockt. Er sah, dass der Mann seine Taschenlampe und seinen Beutel fallengelassen hatte. In diesem entdeckte Dorian einige seiner Habseligkeiten. Er legte den Beutel beiseite und zog aufregt sein Handy hervor, um die Polizei zu rufen.
Eine Polizeistreife kam kurz darauf an. Die Polizisten legten dem noch immer benommenen Einbrecher Handschellen an und führten ihn ab. Es stellte sich heraus, dass der Dieb das Manuskript von Dorians allererstem Roman hatte stehlen wollen. Außerdem wurden in der ganzen Wohnung Fingerabdrücke des Einbrechers gefunden. Sie überführten den Mann und die Polizei konnte dem Täter weitere Taten nachweisen.
Dorian hatte nach diesem Abenteuer viele neue Ideen für seinen Roman. Eine kurze Unterbrechung bewirkt manchmal Wunder….
Autorin: Emilia, Jahrgang 7.
Schrecken am Morgen
Es war fünf Uhr morgens, als Liliane aufwachte. Sie wachte immer so früh auf. Sie war kein Langschläfer. Sie ging ins Bad und kämmte sich ihre braunen Haare. Dann zog sie sich an. Die 35jährige wollte gerade in die Küche gehen, als sie ein Geräusch aus dem Wohnzimmer hörte. Erschrocken blieb sie stehen. Da, schon wieder hörte sie ein Geräusch. Sie griff sich ein schweres Buch und ging vorsichtig in Richtung Wohnzimmer. Als sie um die Ecke ins Wohnzimmer spähte, stieß sie einen erschrockenen Schrei aus. In ihrem Wohnzimmer stand ein Mann und durchwühlte ihre Schubladen. Ein Einbrecher! Der Mann wirbelte zu ihr herum. Einige Sekunden lang blickten sie sich an, dann drehte sich der Mann um und wollte zur Tür stürmen. Aus Reflex warf Liliane das Buch nach ihm und traf ihn am Hinterkopf. Der Mann ging zu Boden und blieb reglos liegen. Erschrocken holte sie Luft. War der Mann tot?
Schnell holte sie ihr Handy raus und wählte die 110. Ein Polizist meldete sich und fragte, was passiert sei. „Bei mir ist jemand eingebrochen.“ Sie nannte ihm ihre Adresse. „Ist der Einbrecher noch da?“, fragte der Polizist. „Ich glaube, er ist ohnmächtig!“ Vorsichtig näherte Liliane sich dem am Boden liegenden Einbrecher. Sie beugte sich über ihn, als plötzlich eine Hand ihr Handgelenk umschloss. Mit einem Schrei ließ sie das Handy fallen und starrte den Einbrecher wie gelähmt an. Der Einbrecher lag mit geschlossenen Augen am Boden, hielt aber ihr Handgelenk mit eisernem Griff fest. Plötzlich öffnete er die Augen und starrte sie mit eiskaltem Blick an. Da erwachte Liliane aus ihrer Starre. Sie wollte sich losreißen, aber der Einbrecher hielt sie fest. Sie holte Luft, um nach Hilfe zu rufen, doch der Einbrecher reagierte blitzschnell und hielt seine Hand vor ihren Mund. Dann stand er auf und zog sie mit sich in ihr Schlafzimmer. Liliane wusste nicht, was sie tun sollte. Sie hatte furchtbare Angst. In ihrem Zimmer suchte der Einbrecher den Boden ab. Kurz darauf bückte er sich und hob eine Socke auf, die er Liliane in den Mund stopfte. „Nein, Hilfe!“, wollte sie schreien, doch es kam nur ein: „Mmmpf, mmmpf“ raus. Der Einbrecher schleifte sie weiter in Richtung Bad. Immer noch hielt er ihre Hände fest, sodass sie sich kaum bewegen konnte. Er griff nach einem Kabel, das in einer Steckdose steckte. Damit fesselte er Liliane. Sie versuchte sich zu wehren, doch es nützte nichts. Liliane hatte noch nie in ihrem Leben so viel Angst gehabt. Nachdem er sie gefesselt hatte, zerrte der Einbrecher sie ins Bad hinein. Sie versuchte ihn zu treten, doch es war sinnlos. Der Einbrecher stieß sie ins Bad, sodass sie auf den Boden fiel. Während Liliane versuchte sich wieder aufzurichten, schloss der Einbrecher die Tür und drehte den Schlüssel um.
Verzweifelt ließ sich Liliane auf die Knie fallen. Wie sollte sie hier herauskommen? Wer sollte sie hier finden? Sie hörte, wie der Einbrecher in Richtung Tür ging und sie öffnete. Dann hörte sie jemanden fluchen und laute Schreie drangen an ihr Ohr. Sie hörte Schritte und ein Stöhnen. Würde sie doch jemand finden? Plötzlich klickte es im Schloss und die Tür ging auf. Das helle Licht blendete Liliane. Als sie wieder sehen konnte, sah sie zwei Polizisten vor sich stehen. Der eine löste ihre Fesseln und der andere nahm ihr den Knebel aus dem Mund. Liliane war so erleichtert, dass sie nichts sagen konnte. Auf wackeligen Knien stand sie auf. „D…d…danke“, brachte sie schließlich doch hervor. Als sie in den Flur hinaustrat, sah sie den Einbrecher. Erschrocken wich sie zurück. „Keine Angst, wir haben ihm Handschellen angelegt“, beruhigte sie der Polizist. „Gut, dass sie uns angerufen haben.“ „Was passiert jetzt mit ihm?“ „Wir nehmen ihn mit auf die Wache. Dann werden wir Fingerabdrücke von ihm nehmen und sie mit anderen vergleichen, um herauszufinden, ob er schon einmal eine Straftat begangen hat. Könnten sie mitkommen? Wir müssen noch ihre Zeugenaussage aufnehmen.“
„Ja, natürlich“, sagte Liliane etwas überrumpelt von den ganzen Ereignissen dieses Morgens. Sie war unglaublich erleichtert, dass jetzt alles vorbei war. Mit einem Seufzer der Erleichterung, folgte sie den Polizisten aus ihrer Wohnung.
Autorin: Flavia, Jahrgang 7.
Vorsicht, Falle!
Hallo, ich bin die Gertrud. Gertrud Hildemann. Und hier will ich aufschreiben, wie ich endlich auch mal in einem Krimi mitspielen durfte – in einem mit einem Happy End natürlich. Also, einem Happy End für mich, nicht für die Bösen. Die Bösen, das waren in meinem Fall mehrere Damen um die dreißig, die versucht haben, bei mir mit dem Enkeltrick Geld zu bekommen. Aber ich habe ja gar keine Enkel! Ich verliere den roten Faden, meint meine Freundin Inge gerade. Na gut, dann fange ich mal an, von den Telefonaten zu erzählen:
Eines Nachmittags klingelte mein Telefon. Ich ging, so schnell ich eben konnte, zu dem Ding hin und nahm ab: „Guten Tag, Gertrud Hildemann am Apparat, mit wem spreche ich?“ „Oma? Bist du es?“, kam es vom anderen Ende der Leitung. Ich verstand nur Bahnhof. Oma? Ich hatte doch gar keine Enkel! Doch dann fiel mir ein, dass es immer wieder Fälle von Enkeltrickbetrug gab. Und dann überlegte ich mir, dass ich das Spielchen ja mal mitspielen könnte. Dann wäre wenigstens mal etwas los in meinem langweiligen Leben, das aus – ich schweife schon wieder ab. Jedenfalls antwortete ich: „Ja, Lisa, schön, dass du mal wieder anrufst! Natürlich bin ich es, ich wohne doch alleine, das weißt du doch! Warum rufst du denn an?“ „Hm, ich, also… das ist mir ein bisschen peinlich, dir das erzählen zu müssen, aber… du bist meine letzte Hoffnung…“ Ihre letzte Hoffnung? Mensch, das klang ja herzzerreißend! „Aber Lisa, Mäuschen, vor der Oma braucht dir doch nichts peinlich zu sein! Was liegt dir denn auf dem Herzen? Du weißt doch, deine Oma Gertrud erfüllt dir jeden Wunsch.“ „Ich… ich habe meine Wohnung verloren, durch das Virus, das in letzter Zeit umgeht, du hast sicher schon davon gehört. Ich konnte einfach die Wohnung nicht mehr bezahlen…“ Ich unterbrach sie: „Oh nein, das ist ja schrecklich!“ „Ja“, kam es vom anderen Ende der Leitung. „Aber mein Chef war ganz nett, er bot mir an, dass ich von ihm eine Wohnung haben könnte, er baut die doch nebenher, weißt du? Aber… ich bräuchte Geld für die Anzahlung, dann könnte ich zwei Jahre ohne Miete leben… würdest du mir das leihen?“ „Aber natürlich, wie viel ist es denn?“, fragte ich. „Sechstausend Euro.“ „So viel?“ Ich fiel aus allen Wolken! „Ja, deshalb ist es mir ja so peinlich“, meinte die „Lisa“ am anderen Ende. „Natürlich gibt dir die Oma das Geld, aber zahl es mir zurück, ja? Sechstausend Euro, das ist fast mein ganzes Erspartes!“, sagte ich. Ein erleichterter Seufzer, dann ein „Danke, Oma! Ich müsste das schon heute haben, eine Freundin von mir holt das Geld dann ab, ja? Wo wäre denn ein guter Platz?“ als Antwort. Ich sagte: „Hm, am besten wäre der Platz in der Rickstraße geeignet, neben diesem großen Baum, dieser Eiche. Aber dafür müssen wir jetzt Schluss machen, Lisa, ich muss mich ja schick machen, um zur Bank zu gehen! So viel Geld habe ich ja nicht einfach bei mir zu Hause herumliegen.“ Die falsche Enkelin war einverstanden.
Schnell legte ich auf, dann rief ich die Polizei an und schilderte ihr die Situation. Ausnahmsweise nahmen sie mich dort auch mal ernst (Ich musste schon dreimal dort anrufen: Einmal wurde mir mein Gartenzwerg gestohlen, ein anderes Mal fand ich meinen Kugelschreiber nicht und beim dritten Anruf hatte ich Probleme, beim Bingo mit den Nachbarn zu gewinnen. Ich wurde seltsamerweise bei keinem dieser Anrufe ernst genommen. Beim ersten Anruf hieß es – oh, ich verliere mich, Entschuldigung). Jedenfalls ging ich zur Bank und holte tatsächlich sechstausend Euro. Nicht so Zeitungsschnipsel wie in Büchern immer, ich wollte es schließlich spannend halten. Falls die falsche Enkelin fliehen würde, dann ja wohl mit dem Geld. Das wäre dann wirklich futsch. Was für ein Nervenkitzel!
Ich kam gerade wieder in der Wohnung an, als der Apparat schon wieder klingelte. Noch keuchend nahm ich ab und hatte schon wieder die falsche Enkelin in der Leitung. „Mensch, das hat ja lange gedauert! Hast du das Geld?“, fragte sie. Ohne Begrüßung, ohne Anstand! Ein Benehmen heutzutage! Bei mir damals – ja Inge, du hast Recht. Ich sollte weiter über den Enkeltrick berichten. Sofort loslaufen solle ich zum Treffpunkt, verlangte die falsche Enkelin. Also machte ich mich auf den Weg. Vorher sagte ich natürlich der Polizei Bescheid. Als ich an der Eiche ankam, war ich sehr verwirrt. Nirgends standen Polizisten! Hatten die mich etwa schon wieder nicht ernst genommen? Stöhnend blieb ich stehen, als eine Frau auf mich zukam. An ihrem Gürtel hing, gut sichtbar, eine Pistole. „Das Geld?“, fragte sie nur. Ich steckte zielsicher die Hand in meine Jackentasche – und fand nichts! Ich musste in der Aufregung vergessen haben, das Geld wieder einzustecken! Ich hatte zur Bank eine andere Jacke angehabt als jetzt! Die Frau mir gegenüber sah nicht so aus, als ob sie vor der Benutzung der Pistole zurückschrecken würde. Ich bekam Angst. Wo zum Teufel waren diese verfluchten Polizisten denn nur? Die Frau vor mir wurde ungeduldig. „Wo ist das Geld?“, fragte sie. Dabei ließ sie ganz unauffällig ihre Hand zum Gürtel gleiten. Ich sah es natürlich und bekam noch mehr Angst. „Ich muss, ich, ich, oh Gott, ich habe das Geld vergessen!“ Sie sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. Langsam holte sie die Pistole aus dem Gürtel. „Hol es!“ Ich nickte und drehte mich um, da machte es „klick“ hinter mir. Als ich mich umwandte, sah ich, wie dieser gemeinen Frau Handschellen angelegt wurden. Außerdem nahm man ihr die Pistole ab. Erleichtert atmete ich auf. Die Menschen, die ich entfernt auf dem Marktplatz gesehen hatten, waren verkleidete Polizisten gewesen!
Einige Wochen später erfuhr ich dann von der eigentlich doch ganz netten Polizistin, was passiert war, nachdem die Frau festgenommen wurde. Sie hatte gestanden und auch ihre Komplizen beim Namen genannt. Darum konnten auch diese festgenommen werden. Auf der Pistole hatte man außerdem Fingerabdrücke von einer polizeibekannten Komplizin gefunden. Die Polizistin zeigte mir den Aktenschrank – die Polizeibekannte hatte bereits zwei dicke Ordner mit Straftaten gefüllt.
Beim Nachbarschafts-Bingo war ich natürlich der Star! Ich hatte schließlich in einem waschechten Krimi mitgespielt, inklusive Pistole! Das war für die anderen Nachbarn kaum vorstellbar.
Autorin: Svea, Jahrgang 7.