Dieser Beitrag berichtet von der Feier zum goldenen Abitur-Jubiläum des Jahrgangs 1971 und von dem Weg dorthin. Nach einer kurzen Einleitung geht es von der damaligen allgemeinen Atmosphäre In Gesellschaft wie Schule über das Abitur selbst und die Zeiten danach bis zur goldenen Jubiläumsfeier am 8.4.2022. Wie wurde die organisiert, wie lief sie ab, wie kam sie an? Der Beitrag schließt mit der Erkenntnis, so einen Event wiederholen zu wollen.

 

Zunächst ein paar Fakten

Im Dezember 1971 machten die letzten drei Klassen des Gymnasiums Farmsen im tradierten Format ihr Abitur. Die abschließenden mündlichen Prüfungen waren am 1.12.1971.

Die Jahrgänge danach waren sozusagen schon ab der 12. Klasse mit dem Abitur beschäftigt, ab 1972 wurde die Abi-Prüfung im Kurssystem und über vier Semester durchgeführt.

Ich war froh, noch so gerade im „old-school-Verfahren“ durchzukommen. Durch den recht geschlossenen Klassenverband konnten wir in den letzten zwei Jahren noch drei erfreuliche Klassenreisen durchführen, in den bayerischen Wald, nach Ratzeburg und nach Prag.

Meine Klasse war die 13c, das war der mathematisch-naturwissenschaftliche Zweig. Es bedeutete, dass wir beim Abitur in den folgenden Fächern geprüft wurden: Mathematik, Physik, Chemie (alternativ Biologie), Deutsch, Englisch, Gemeinschaftskunde, Kunst (alternativ Musik) und Sport. Von diesen 8 Fächern waren nur 7 tatsächlich in 1971 „dran“, Englisch hatten wir schon in der 12. Klasse abgeschlossen.

In der 13a und b waren die „Sprachler“, die einen hatten Latein, die anderen Französisch als zweite Fremdsprache und konnten Mathe schon in der 12. Klasse abschließen.

Insgesamt haben 1971 55 Schülerinnen und Schüler die Abi-Prüfung bestanden.

 

In unruhigen Zeiten

Ein gar nicht so ferner Krieg und eine immer noch gefährliche Pandemie belasten uns gerade ganz schön. Unruhige Zeiten sind jetzt, das kann man nicht bestreiten.

Vor 50 Jahren ging es auch unruhig zu, aber auf ganz anderen Gebieten.

Mit Willy Brandt stellte zum ersten Mal die SPD den Kanzler der Bundesrepublik. Er bekam für seine neue Ostpolitik 1971 den Friedensnobelpreis und wollte innenpolitisch mehr Demokratie wagen. (West-) Deutschland war irgendwie im Aufbruch.

Wir waren verspätete 68er. Viele junge Männer trugen lange Haare, ich auch. Wir waren fast alle ziemlich links, ich saß eine Weile mit Freunden vom kommunistischen Bund („KB“) zusammen, diskutierte den dialektischen Materialismus und ging oft auf Demos. Wir probierten Drogen aus, Haschisch war in vielen Kreisen schon fast alltäglich.

Von der großen sexuellen Revolution der 68er habe ich allerdings nicht besonders viel mitbekommen. Viele waren so ab der 11. Klasse in einer Beziehung und hielten sicher nicht nur Händchen. Aber die wilden Gruppen-Veranstaltungen, die es in diesen Jahren gegeben haben soll in den diversen WGs (die gab es schon), habe ich irgendwie verpasst.

Die angesagte Musik war von Ten Years After, Led Zeppelin, Pink Floyd und Leonard Cohen. Im Kino liefen Harold and Maude, Dirty Harry, A Clockwork Orange, Vier Fäuste für ein Halleluja und French Connection.

 

Ruhige Schulzeit

Als ich in Farmsen eingeschult wurde, hieß der Direktor Dr. Löding, ungefähr ab 1969 war dann Uwe Schmidt der Schulleiter.

Ich habe meine Schulzeit als weitgehend geordnet und ruhig erlebt. Weitgehend – es gab auch Ausnahmen. In unsere Schulzeit fiel zum Beispiel der erste veritable Schulstreik. 1968 streikte praktisch die gesamte Schülerschaft gegen die Notstandsgesetze. Ich meine, wir zogen alle durch die Swebenhöhe, und Dr. Löding rief uns verzweifelt zu, dass doch Unterricht sei und wir zurückkommen sollten.

Nicht immer ging es so politisch zu. Ein Aufreger im rein disziplinarischen Bereich war etwa, wenn man sich in einer großen Pause vom Gelände stahl und bei Anna Radwanski Zigaretten kaufte. Anna Radwanski hatte in der Rönkkoppel einen Tante-Emma-Kiosk, „Laden“ wäre schon zu hoch gegriffen. Ihr kleines, etwas verdeckt liegendes Geschäft war ein beliebter Fluchtpunkt für allerlei Unerlaubtes, Rauchen war ein Klassiker.

Später musste nicht mehr heimlich geraucht werden, ab Klasse 11 durfte man es offiziell auf dem Raucherhof.

In angenehmer Erinnerung habe ich die Proben wie Auftritte für das Orchester und die Bläsergruppe. Besonders die Bläsergruppe unter Leitung von Bernhard Thomas machte Spaß. Wir trugen Lederhosen und Tiroler Hütchen und spielten „Bayernmusik“, Rosamunde, mir san die Tiroler Holzhacker Buam, solche Sachen.

Natürlich gab es einige Lehrer mit einem besonderen Ruf. Herr Hilgers (Erdkunde und Latein) zum Beispiel korrespondierte mit seinem Vater auf Latein, hatte aber immer seinen Kampf mit der Klassendisziplin. Fräulein (!) Dänike (Kunsterziehung) diskutierte mit der Klasse recht ausführlich die Vor- und Nachteile der Eheschließung. Anscheinend ergebnisorientiert, denn als wir Abitur machten, hieß sie Frau Moltwey.

Tim Kröger (Sport) hatte mal in der deutschen Nationalmannschaft Handball gespielt. Wir mussten uns bei ihm in der Pause vorm Unterricht die Planung für die kommende Stunde abholen. Sollte irgendwas aufgebaut oder abgesteckt werden, mussten Geräte geholt werden? Dann ging mitunter nur die Tür vom Lehrerzimmer ein kleines Stück auf, ein Ball rollte raus und man hörte den Ruf „So Jungs, Fußball!“. Überhaupt Lehrerzimmer, es gab zwei, ein großes und ein kleineres. Tim Kröger beschrieb das kleinere so: „Hier sitzen Raucher und andere Sozialisten.“

Die Zu- und Abneigungen zu den Mitgliedern des „Lehrkörpers“ waren naturgemäß unterschiedlich, doch bei Dr. Ursula Raupp kenne ich niemand, der mit ihr ein Problem hatte. Sie galt in meinem Umfeld als die beste Lehrerin der Schule.

Im Orchester fiel der hochbegabte Solo-Violinist Michael Kollars, ein Klassenkamerad, angenehm auf. Er spielte in einer völlig anderen Liga als wir Tuter und Quietscher und hob so ein wenig das Niveau unserer Performance.

Sportlich brachte unser Jahrgang eine beachtliche 4x100m Staffel der Herren hervor. Beim Hamburg Schulsportfest im Volksparkstadion 1970 erreichten Mathias Frommann, Reiner Wett, Werner März und Peter Voigt den ausgezeichneten dritten Platz.

Erwähnenswert erscheint mir auch noch der „Franzosenaustausch“, der nach meiner Erinnerung damals das einzige fest etablierte Austauschprogramm des GyFa war. Die französische Partnerschule lag in Rennes, der Hauptstadt der Bretagne. Die Abschlussfeiern der jeweiligen Austausch-Wochen waren immer spektakulär. Die Bläsergruppe trat natürlich auch auf. Ich habe über diesen Austausch zudem meine Frau kennengelernt. Wir sind nun 42 Jahre verheiratet, und eine unserer Töchter ist in der Bretagne als Ärztin niedergelassen.

 

Abi geschafft – und nu?

Nach den letzten mündlichen Prüfungen am 1.12.71 und damit nach unserem großen Erfolg geschah erstaunlicher- und irgendwie auch fast beschämenderweise so gut wie nichts. Einige saßen am Nachmittag noch in den einschlägigen Kneipen rund um den U-Bahnhof Farmsen, Louisenhof & Co, und tranken ein paar Helle. Aber das wars auch schon, keine Abschluss-Feier, kein organisierter Event, nicht mal ein gemeinsames ordentliches Besäufnis.

Warum war das so? Genau erklären kann ich es nicht. Wir waren wohl recht klar „anti-autoritär“ aufgestellt, keiner sollte und wollte sich auf irgendeinen Stuhl stellen und sagen: Hört zu, wir machen das und das, Du besorgst den Raum, Du das Bier – nee, bloß keine Welle, bloß kein Getöse und keinesfalls Rumgespieße.

Unsere weiteren Wege gingen dann natürlich auseinander. Die jungen Männer mussten ja noch zum Bund oder zum Zivildienst, da verlor man sich schon mal aus den Augen. Wer in Hamburg studierte, traf sich vielleicht gelegentlich bei Veranstaltungen oder in der Mensa.

Aber nicht alle studierten und nicht alle blieben in Hamburg.

Es wurden Familien gegründet und Karrieren gestartet, der normale Gang. Ganz aus den Augen verloren haben wir uns aber zum Glück nie.

Unsere Generation hatte zu Schulzeiten nicht den besten Ruf (zu wild, zu undiszipliniert, zu leistungsunwillig), unsere Perspektiven wurden von vielen Älteren als schwierig gesehen. Doch anscheinend haben wir zwischen Liebschaften, Joints und psychodelischer Musik noch so einiges mitgekriegt. Die Lebenswege, von denen wir uns auf den Jahrgangstreffen gegenseitig berichteten, klangen jedenfalls stets erfreulich.

Es sind viele Ärzte dabei, mein Eindruck ist: der Mediziner-Anteil ist überproportional. Zwei sind Professoren geworden, Wolfgang Krupp und Thomas Bein. Claudia Schröder ist Produzentin von Filmen und Serien. Besonders bekannt ist ihr „Nord bei Nordwest“ mit Hinnerk Schönemann. Mathias Frommann war lange Jahre Leiter des Bezirksamts Wandsbek und Michael Töteberg und Wolfgang Ram sind Autoren von belletristischen Werken.

Michael hat mit „Falladas letzte Liebe“ erst vor wenigen Monaten sein jüngstes Werk vorgelegt. Walburg Schwenke ist Regisseurin und Theaterpädagogin am Staatstheater Mainz und hat über Max Frisch veröffentlicht. Ihr Abitur-Freund und jetziger Ehemann Birger Schröder-Schwenke ist gefragter Kameramann. Michael Kollars, der Sologeiger, hat mehrere Jahre Konzertreisen durch die ganze Welt gemacht.

So könnte ich noch eine Weile weiter erzählen, doch dann wird dieser ohnehin viel zu lange Beitrag endlos. Fast noch wichtiger als die schönen beruflichen Entwicklungen erscheint mir zudem: Die allermeisten von uns sind mittlerweile glückliche Großeltern geworden.

Leider hat es auch Verluste während der zurückliegenden 50 Jahre gegeben. Von den 55 Abiturienten von 1971 sind leider schon 5 von uns gegangen.

Weniger traurig, aber doch bedauerlich: im Adressbestand haben wir auch einige Mitschüler „verloren“. Von immerhin 4 Personen haben wir schlicht keine Kontaktdaten.

 

Die Gold-Abi-Feier

Eigentlich sollte unsere Jubiläums-Feier am 1.12.2021 stattfinden, auf den Tag genau 50 Jahre nach Abiturdatum. Es war schon alles gebucht und reserviert. Doch Corona machte uns einen Strich durch die Rechnung.

Als neuen Termin bestimmten wir den 8. April 2022. Es war nicht ganz leicht, ein Restaurant zu finden, mit dem man schon im Januar einen Gruppentermin im April verhandeln konnte – eben wegen Corona. Niemand konnte absehen, welche G*-Regel dann gültig sein würde.

Fündig geworden sind wir bei „Das Dorf“ in der Langen Reihe. Hier bekamen wir für knapp 40€ pro Nase einen Begrüßungssekt und ein sehr ansprechendes Drei-Gänge-Menü. Die Menükarte ist hier als Bild dabei, man sieht: die haben sich für uns Mühe gegeben.

27 von den knapp 50 haben es am Ende geschafft, an der Feier teil zu nehmen. Um 18:00 Uhr ging es los, und es waren auch fast alle gleich zu Beginn da. Zunächst sortierte man sich ein wenig im alten Klassenverband um die Tische, hier saß die a, da die b und dort die c. Doch das lockerte sich nach dem Essen alsbald auf.

Die Biere und Weine schmeckten und der gemütliche Raum im Souterrain sorgte ebenfalls schnell für gelöste Stimmung.

Wir hatten im Vorfeld alle unsere „Kruschkisten“ nach alten Schulfotos durchgesucht und Wolfgang Ram hatte die gesammelten Werke zu einer kleinen Foto-Film-Show montiert, die nun auf einem Bildschirm lief. Das schaute man sich gerne an. Jetzt haben wir diese Bilder alle in die Cloud hochgeladen, so dass auch die, die es nicht zur Feier geschafft hatten, sich die Bilder angucken können.

So gegen 23 Uhr signalisierten die Dorf-Leute, dass jetzt langsam Feierabend sei. Unser Kreis hatte sich ohnehin schon kräftig gelichtet. Nach Hause wollten die übriggebliebenen Neun allerdings noch nicht, der Abend war ja noch jung.

Wir landeten 300m weiter bei Max & Consorten. Unsere Stimmung wurde immer besser und die Anekdoten immer vogelwilder, aber so gegen 2:00 wurden auch bei Max die Stühle auf die Tische gestellt. In sehr kleinem Kreis ging es noch rüber zu Windstärke 11 am Hansaplatz, früher eigentlich eine reine Rotlicht-Kneipe, aber die Zeiten haben sich anscheinend auch hier geändert. Nach zwei weiteren Runden war dann gegen halb vier endgültig Schluss. Ich steuerte weitgehend trittsicher mein nahe gelegenes Hotel an.

Ein sehr schöner Abend war zu Ende gegangen.

 

Wie geht es weiter?

Unser goldenes Abi-Jubiläum haben alle Teilnehmern gelobt, und darum wurde beschlossen, Vergleichbares nun im 3-5 Jahrestakt zu wiederholen. Wenn nicht der Himmel einstürzt, denn ward dat ok wat! (Plattdeutsch-AG bei Herrn Bellmann.)

Für heutige Schüler muss das goldene Abi Lichtjahre entfernt erscheinen. Ich kann diesen jüngeren Lesern nur ans Herz legen: Sammelt schon jetzt Bilder, Filme, Anekdoten und natürlich Namen und Adressen, damit Ihr so fröhliche Feste in den nächsten und auch in den ferneren Jahren feiern könnt. Mit dem Gymnasium Farmsen habt Ihr auf jeden Fall schon mal einen exzellenten Startpunkt!

 

Berlin im April 2022

Peter Apel